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Hula: Die Seele Hawaiis
by Tracey Lakainapali
Übersetzt von Annette Geiger

Wenn wir an Hawaii denken kommen uns meist zwei Dinge in den Sinn: Die "Aloha"-Geisteshaltung und Hula. Beide sind vor langer Zeit entstanden, als der Überlieferung nach Goetter, Goettinnen und Menschen auf der Erde wandelten.

Zu den Urspruengen des Hula gibt es verschiedene Auslegungen. Manche glauben, dass er von der altertümlichen Zivilisation der Mu herkommt, manche behaupten, er sei einheimisch waehrend andere die Spur des Hula nach Tahiti oder anderen fernen Ländern zurueckverfolgen. Für die Hawaiianer von früher wie von heute ist Hula die Essenz des Lebens selbst. Hula verbindet sie mit dem Universum und vereint sie mit der Schoepfung.

Die Frage, ob Hula-Taenzer ursprünglich nur Maenner waren, wie einige heute behaupten, ist noch zu diskutieren Allerdings gibt es viele Aufzeichnungen und Ueberlieferungen, die von beiden, Maennern und Frauen, als Hula-Taenzer erzählen. Was wir sicher wissen ist, dass Frauen getanzt haben, als Captain Cook und seine Mannschaft im Jahr 1778 zum ersten Mal auf den Inseln eintrafen.

Der Gebrauch des Wortes "hula" um "Tanz" zu beschreiben ist eine Besonderheit der Hawaiianischen Kultur, die in keiner anderen polynesischen Kultur zu finden ist. Die Samoer tanzen "sasa", fa'ataupati" oder "lapalapa" wobei für Tanz hauptsächlich das Wort "siva" verwendet wird. Die Maoris chanten (chant = Sprechgesang) und tanzen den "haka" oder "otea". Einwohner der Osterinseln haben ein halbes Dutzend an verschiedenen Ausdruecken fuer tanzen, wobei einige von Samoa oder Tahiti entlehnt sind. Interessanterweise haben Hawaiianer ein aelteres Wort für Tanz naemlich "ha'a", das dem "haka" der Maori oder dem samoischen "fa'a aehnelt. Wenigstens eine Quelle, das hawaiianische Wörterbuch von Pukui und Elbert, führt an, dass das Wort "hula" erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein gebraeuchlich wurde.

Die Elvis-Presley-Filme moegen zwar den Hula ins Bewusstsein der Oeffentlichkeit gerückt haben, allerdings haben die Taenze, die in dieser Art Filme vorgeführt werden, wenig Aehnlichkeit mit der spirituellen Tiefe und Ernsthaftigkeit, der Anmut, der Eleganz oder gar der Heiligkeit, die diese Jahrhunderte alte Kunst repraesentiert.

Der "hula kahiko" oder die alte Form des Tanzes wurde und wird immer noch in traditioneller Nationaltracht aufgeführt und durch Sprechgesaenge und die traditionellen Rhythmusinstrumente begleitet. Der "hula auana" hingegen, die moderne Form des Tanzes wird eher von modernen Instrumenten wie Ukulele und Gitarre begleitet. Außerdem sind die Kostueme moderner; sie reichen von einfachen Roecken und Oberteilen bis hin zu aufwaendigen Kleidern im viktorianischen Stil und zu Plastik-Bastroeckchen und Kokosschalen-Bikinis auf der Hotelmeile.

Hula hat drei Zielsetzungen: Unterhaltung, Inspiration und Unterweisung. Er ist das kulturelle Vehikel für gesellschaftlich-soziale und historische Kommentare und Informationsuebermittlung. Die Taenze und Sprechgesaenge bergen einen Zauber, der die aeußerlich sichtbare Kraft und Schoenheit übersteigt und beide, Taenzer wie Zuschauer mit Aloha erfüllt.

Die Fruehformen der Hawaiianischen Taenze, mele hula, kamen entweder in der Tempel-Form (ha'a) oder der oeffentlichen Form (hula) zur Auffuehrung. Ha'a wurden normalerweise unter Anleitung eines kahuna (Priester, Gelehrter, Meister) als Teil des Gottesdienstes im heiau (Tempel) aufgefuehrt. Diese Taenze wurden oft in Verbindung mit Ritualen und Zeremonien für bestimmte Tempel und für die jeweiligen Gottheiten, denen diese Tempel geweiht waren, aufgefuehrt. Manche dieser Taenze waren eine Art Gebet oder Gottesdienst in dem die Gottheiten mit den Erzaehlungen ihrer Heldentaten und Abenteuer gewuerdigt wurden. Andere Formen des Hula ehrten die ali'i, die Haeuptlinge und Adeligen, deren Stammbaeume oft bis zu den Goettern zurueckreichten. Hula wurde auch zum Vergnuegen getanzt mit Themen voll von tiefen empfundenen Gefuehlen. "Mana" oder Lebenskraft und spirituelle Energie lag in den Worten, in der Praezision der Durchfuehrung, in der Disziplin und Harmonie der Bewegungen der Taenzer, in ihrer spirituellen Fassung / Selbstbeherrschung, ein heiliges Kontinuum, das die Goetter mit Mensch und Natur verband.

Jede Bewegung, jeder Ausdruck und jede Geste haben eine bestimmte Bedeutung im Hula, von der Darstellung von Pflanzen, Tieren und den Elementen bis hin zu Taetigkeiten wie hoeren, suchen, segeln und vieles mehr. Die Bewegungen der Hände sind von besonderer Bedeutung. Eine gute Hula-Taenzerin schaut immer auf ihre Hände nicht ins Publikum. Sprechgesaenge begleiten den Tanz und helfen beim Erzaehlen der Geschichte.

Kuhi no ka lima, hele no ka maka Ð wohin sich die Haende bewegen, dahin folgt der Blick.

Unabhaengig vom Inhalt wurde Hula stets mit Spiritualitaet getanzt; die Spiritualitaet war allgegenwärtig Ð in der Erfahrung des Tanzes genauso wie bei den Zuschauern. Beide ÐHula und chants zeichnen die kulturelle Historie des Hawaiianischen Volkes auf. Ueberlieferungen, Traditionen, Stammbäume, Geschichte werden so erhalten und weitergegeben.

Die Sprechgesaenge oder "mele" zum Hula sind die eigentliche Erzaehlung, voll von tief empfundenen Gefühlen. Da es keine geschriebene Sprache gab, mussten die Taenzer die chants über ihre Ausuebung auswendig lernen.

Die musikalische Begleitung ist eine essentielles Element des Hula. In der aelteren Fassung waren einige Instrumente wie Haifischhaut-Trommeln "pahu" oder Trommeln aus Flaschenkürbissen "ipu" oder "ipu heke", die die Saenger spielten, die Haupt-Begleitung. Andere wie die federgeschmueckten Rasseln "'uli'uli", Bambus-Rasseln "pu'ili" und "'ili'ili", Fluß-Kiesel, die in der Hand gehalten und wie Kastagnetten geschlagen werden, werden von den Taenzern benutzt. Auch die Stimme des Saengers spielt eine maßgebliche Rolle dadurch, dass sie den Ton und die Grundstimmung des Tanzes angibt.

Die Kostueme fuer die alten Taenze bestanden aus einem "pa'u", einem Rock aus Tapa, d.h. einem Stoff, der aus der Rinde bestimmter Baeume gemacht wurde, Leis (Blumenkränze / Blättergirlanden) für Kopf Hals und Handgelenke und Fußkettchen, die meist aus Hundezaehnen, Muscheln, Samen oder Wal-Knochen gefertigt wurden.

Laka, die Goettin der Liebe, der Waelder und Pflanzen wird weithin als Schutzpatronin des Hula angesehen. Waldpflanzen, die ein wichtiger Teil des heiligen Hula-Rituals und seiner Vorbereitung sind, wurden als Erscheinungsform der Goettin selbst angesehen, weshalb sie ihr "mana" (Geist) oder spirituelle Energie besitzen. Besonders die "Ti-" oder "Ki-" Pflanze ist Laka geweiht und wird in vielen Ritualen und Zeremonien zum Schutz, um boese Geister abzuwenden und um Glueck zu bringen eingesetzt. Sie ist ein Zeichen goettlicher Kraft.

In früheren Zeiten gab es vor und nach dem Hula Gebete, Segnungen und andere Rituale. Chants für Laka wurden dargebracht; an der Ostseite der "halau" oder (Hula-) Schule wurde ein Altar aufgebaut als Symbol für die lebensspendende Kraft des Sonnenaufgangs. Hula-Taenzer badeten regelmäßig, Opfergaben für Laka wurden einer rituellen Reinigung unterzogen und mit Salzwasser benetzt.

Alle geuebten Hula-Tänzer zeigen eine gute Haltung, die die Heiligkeit und Wuerde des Tanzes ergaenzt und den Hula damit von anderen Formen polynesischer Taenze unterscheidet. Die Taenzer besitzen eine gutes Gefuehl für Harmonie, Balance und Kontrolle. Wenn "haumana" Schueler ausgesucht wurden, waren viele Faehigkeiten gefragt, wie z.B. Hingabe, Anmut, Körperhaltung und Respekt. Als Hula-Schueler ausgewaehlt zu werden war eine große Ehre. Beide sowohl der "kumu", der Lehrer, und die besten Taeänzer waren hochangesehen und haben sich oftmals für ihr ganzes Leben dem Tanz verschrieben.

Das Training in einer Hula-Schule war streng, "kapu", d.h. scharfe Regeln waren zu befolgen. Die "kapu" (Tabus) unterschieden sich von Schule zu Schule, jedoch manche Vorgaben wie z.B. Sauberkeit, Haare und Naegel nicht zu schneiden, sexuelle Enthaltsamkeit und Verbote bestimmter Speisen waren allgemein üblich.

Die Schueler tanzten auf einer Plattform mit einem Laka geweihten Altar, der ihr zu Ehren mit Ranken und Blueten geschmückt war. Die Abschlussfeier war eine spezielle Zeremonie nach strengem Protokoll. Die Schueler verweilten mehrere Tage in der halau, um zu proben, Leis zu machen, zu beten und Reinigungsrituale zu durchlaufen. Dem (Schul-) Abschluss folgten dann ein Fest sowie der rituelle Abbau und die geweihte Beseitigung des Altars.

Die Foermlichkeit der Zeremonien, Rituale, Etikette und des Protokolls sind sehr wichtig für die Hula Halau. Angefangen beim Auswaehlen des Materials für und herstellen der Leis, die Kopf, Hand- und Fußgelenke und den Hals schmuecken bis hin zu den Gebeten vor einem Auftritt, dem Anziehen für den Auftritt und die Beseitigung der Leis Ð oft im Meer- danach, alles wurde rituell und mit Respekt vollzogen.

Als das Christentum die Hawaiianische Kultur zu dominieren begann, begannen alle Formen des Hula zu verschwinden. Weil er ein Symbol der Kultur der Eingeborenen der Inseln, ihrer Goetter und ihres Glaubens war, und weil manche der Bewegungen natürlich aufreizend waren, war der Hula bei den Missionaren um 1820 nicht gern gesehen. Er wurde verbannt solange bis Koenig David Kalakaua etwa 50 Jahre später ihm wieder zu Ehren und Respekt verhalf.

Doch bereits bevor die Missionare auf Hawaii eintrafen, war das religioese System Hawaiis von innen heraus zerstoert. 1819 ordnete König Liholiho Kamehameha die Schließung der Tempel und Vertreibung der Priester an, was einen schweren Schlag für den religioesen Hula darstellte. Das Eintreffen der Missionare, die jegliche Form von Hula als unanstaendig, luestern und kontraproduktiv zu ihren Bemuehungen, die Hawaiianer von ihrer heidnischen Vergangenheit zu befreien, betrachteten, machten schließlich bis zur Aera von König Kalakaua auch den oeffentlichen Vorführungen der anderen Formen des Hula ein Ende. Nur den vielen Hula-Meistern, die die Tradition des Hula in geduldiger Abgeschiedenheit bewahrten, ist es zu verdanken, dass Hula heute noch existiert. Heutzutage gedeihen und vermehren sich die Hula-Gruppen und Schulen auf Hawaii und rund um die Welt.

Frueher wie heute ist Hula eine Quelle des Vergnuegens und - noch wichtiger - ein Mittel um Hawaiianer und Nicht-Hawaiianer in den Mythen und Idealen zu unterweisen, die der hawaiianischen Kultur Bedeutung und Bestand gaben. Hula wird nicht mehr nur von den eingeborenen Hawaiianern getanzt. Es gibt viele Nicht-Einheimische weltweit, denen dieser schoene Tanz und seine heiligen Lehren etwas bedeutet und die ihn bewahren wollen. Auch wenn wir in diesem Leben nicht "hawaii-geboren" sind, gibt es bei vielen, die die Gesaenge hören und die Bewegungen tanzen, eine tief in ihren Zellen sitzende Erinnerung und großen Respekt.

Heutzutage gibt es viele Hula-Meister, die die alten Taenze so authentisch wie möglich wieder aufleben lassen und auch neue Taenze auf der Grundlage der traditionellen Formen kreieren. Die Generationen von heute haben Glück und das Privileg, dass dieser heilige Tanz überlebt hat und sie fortfahren koennen, eine machtvolles Erbe weiterzugeben. Ich bin im besonderen sehr dankbar für die Existenz und das Weiterbestehen dieser weihevollen Lehre.

Der beruehmteste Platz, der mit dem altertümlichen Hula-Training in Verbindung gebracht wird, ist Ke'e auf Kauai. Zu diesem Ort gibt es die ausfuehrlichsten geschichtlichen Aufzeichnungen und die meisten Legenden. Ein Besuch an diesem Ort ist für jeden Hula-Schueler von heute eine Erfahrung, die er so schnell nicht vergisst. Die Energie dieses heiligen Ortes ist etwas, das ich nicht einmal versuchsweise in Worte fassen kann, so tiefgründig und greifbar. Ueberfluessig zu sagen, dass ich bei jedem meiner Aufenthalte dort zu Traenen geruehrt und unfaehig zu sprechen bin und beinahe nicht mehr atmen kann.

Hula ist die Seele Hawaiis. Vielleicht werden Sie das naechste Mal, wenn Sie diesen heiligen Tanz sehen, gleichgültig ob in seiner alten oder modernen Form, ihn mit anderen Augen und mit einem groeßeren Bewusstsein und Sinn für seine tiefe spirituelle Energie betrachten.

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