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Stolz und Demut von Serge Kahili King Übersetzt von Wolfgang Franz
"Zeige Deinen Stolz!" "Stehe Deinen Mann!" "Gehe
aufrecht!" "Sei kein Fussabtreter für andere!" "Sei
stolz darauf wer Du bist!" "Strecke Deine Brust heraus und halte
Deinen Kopf aufrecht!"
"Zeige Demut!" "Halte Deinen Kopf unten!" "Hebe
Dich nicht aus der Menge hervor!" "Hochmut kommt vor dem Fall!"
"Lerne bescheiden zu sein!" "Was glaubst Du wer Du
bist?"
Als ich ein junger Mann war, der versuchte seinen Platz im Leben zu finden,
sagte meine Mutter einmal zu mir: "Denk nicht soviel an Dich selbst,
sonst wird Gott Dich dafür bestrafen!" Nun, das hat mir Angst
gemacht. Weiter hat es mich durcheinander gemacht, dass die Welt voller
Religionen, Philosophien, Psychologien und Kulturen war, die völlig
entgegen gesetzte Ansichten über die Frage von Stolz und Demut hatten.
Oft gab es auch Widersprüche innerhalb der selben Religion, Philosophie,
Psychologie und Kultur.
Viele Jahre bewegte ich mich durch ein Labyrinth widersprechender Gedanken
und versuchte mir vorzustellen, wie man bescheiden sein kann ohne seine
Selbstachtung zu verlieren und wie man stolz sein kann ohne seinen Sinn
für Demut zu verlieren. Meistens sprang ich, wie die meisten anderen
auch, zwischen Arroganz und Selbstentwertung und allen Variationen dazwischen
hin und her, bis ich endlich herausfand um was es eigentlich ging.
Im alten Griechenland war eine der schlimmsten Sünden, die man begehen
konnte, die Hybris, eine exzessive Form des Stolzes, die auch als Arroganz
bekannt ist. Die schwerste Form bestand darin, sich den Göttern
ebenbürtig oder gar überlegen zu fühlen. In der griechischen
Mythologie gibt es viele Geschichten von Sterblichen, deren Hybris dazu
führte, dass die Götter sie vernichteten. Dies wurde auf den
sozialen Bereich übertragen indem eine sehr reale Gefahr bestand, von
denen, die die Götter repräsentierten, nämlich den Priestern,
Königen und Beamten bestraft zu werden, wenn man es wagte, sich ihnen
gleich, besonders aber sich ihnen überlegen zu fühlen.
Schliesslich wurde diese Vorstellung zu einem festen Bestandteil der
westlichen Kultur im Allgemeinen und sie wurde nicht nur auf die Götter
oder den Gott neuer Religionen übertragen, sondern auch auf die
entstandene Klassengesellschaft, also z. B. Adlige und Bürgerliche oder
Reiche und Arme. Es war dann also Hybris, wenn man dachte gleich oder besser
zu sein als jemand im eigenen Umfeld, der von der Gesellschaft als sozial oder
finanziell höher stehend wahrgenommen wurde.
Als sei dies nicht schon schlimm genug, wurde das aus der Mode gekommene
Wort Hybris durch das Wort Stolz ersetzt, dessen Definition in den
Wörterbüchern sehr widersprüchlich ist. Schliesslich sind wir
heute an einem Punkt, wo es zugleich gut und schlecht ist stolz oder
bescheiden zu sein. Gibt es einen Ausweg aus dieser Zwickmühle?
Den gibt es, wenn wir dazu bereit sind ein bisschen anders zu denken.
Zuerst müssen wir zwischen wahrem und falschem Stolz unterscheiden, dann
zwischen wahrer und falscher Demut
Wahrer Stolz hat mit Anerkennung und Respekt dafür zu tun, was jemand
ist und tut ohne irgendeine Bestätigung von aussen. Falscher Stolz hat
etwas damit zu tun, dass man beansprucht mehr zu sein als man selbst glaubt zu
sein und dass man beansprucht mehr zu wissen als man glaubt zu wissen. Diese
Art von Stolz braucht fast immer Bestätigung von aussen, um das innere
Gefühl von Unzulänglichkeit auszugleichen. Wohlgemerkt, ich sage
nicht, dass an Zustimmung und Bestätigung von aussen etwas Schlechtes
ist. Wenn jemand sonst aber keine Selbstachtung verspürt, ist dies ein
Zeichen für falschen Stolz. Arroganz ist ein anderer Aspekt falschen
Stolzes. In diesem Fall gibt jemand vor, auf eine nicht messbare Weise besser
als andere zu sein. Es ist eine Sache, bei einer bestimmten Fertigkeit besser
als alle anderen zu sein. Aber es ist eine ganz andere Sache, wenn man andere
dazu braucht um dies anzuerkennen oder wenn man selbst vorgibt, dass einen
dieser höhere Grad der Fertigkeit irgendwie zu einem besseren Menschen
macht. Sie werden bemerken, dass ich “vorgeben“ sage. Denn egal
wie gut jemand Überlegenheit spielen kann, in dem Mass, in dem er oder
sie Bestätigung von aussen für diese Überlegenheit braucht,
„gibt er vor“. Für jemanden mit wahrem Stolz spielt es keine
Rolle ob er überlegen ist.
Wahre Demut hat mit Anerkennung und Respekt dafür zu tun, was jemand
ist und kann, ohne Bestätigung von aussen. Falsche Demut hat damit zu
tun, weniger scheinen zu wollen als man glaubt zu sein und dass man weniger
kann als man glaubt. Diese Art Demut braucht fast immer Bestätigung von
aussen um das innere Gefühl der Arroganz zu bedecken. Derjenige mit
falscher Demut hat das dringende Bedürfnis andere davon zu
überzeugen wie bescheiden er oder sie ist. Manchmal kommt das vor weil
jemand denkt, jede Form des Stolzes ist schlecht. Manchmal benutzt eine
wirklich arrogante Person falsche Bescheidenheit um andere zu entwaffnen und
zu manipulieren. Wer wirklich bescheiden ist nicht darauf angewiesen, dass
andere wissen wie bescheiden er oder sie ist und fürchtet es auch nicht,
wenn andere es wissen. Ein wirklich bescheidener Mensch fühlt sich
anderen gegenüber weder überlegen noch unterlegen.
Was bleibt von alle dem? Eine ganz einfache Vorstellung: Wahrer Stolz und
wahre Demut sind genau das Gleiche.
Copyright Huna International 2005
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