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Huna Artikel
Huna International
Hawaiianische Göttinnen von Serge Kahili King
Übersetzung: Günes Kale
Das hawaiianische Konzept von Göttern und Göttinnen unterscheidet sich deutlich von den
Traditionen des Westens und des Nahen Ostens, von afrikanischen und australischen Traditionen sowie von den
Traditionen Nord- und Südamerikas. Am ehesten ähnelt es den eklektischen Traditionen Indiens,
Chinas und Japans, auch wenn es Unterschiede gibt.
Gott oder Göttin im Hawaiianischen bedeutet Akua, ein Wort, dessen Sinngehalt sehr unbestimmt ist. Es
wird für den Geist verwendet, i.e., den unsichtbaren Beweggrund oder die kreative Essenz von allem und
jedem. Der Schöpfergott, der Wind, der aufgehende Vollmond, ein hochgestellter Anführer, ein
Sklave, ein Geist und das, was einen Motor zum Laufen bringt, das alles kann in ganz bestimmten
Zusammenhängen Akua genannt werden. Meist wird das Wort allerdings gemeinhin für Kräfte,
Personen und Dinge verwendet, die viel Mana haben, das heißt, viel Macht oder Einfluss. Das bedeutet
also, dass wir nie ganz sicher sein können, wenn wir eine Geschichte über eine Wesenheit wie zum
Beispiel die Vulkangöttin Pele hören, ob es sich in der Erzählung um den Geist einer
Naturgewalt handelt, um die Ahnin einer bestimmten Familienlinie, um beides oder auch um keines.
Ein weiteres wichtiges Merkmal hawaiianischer Götter und Göttinnen ist die Tatsache, dass sie oft
nicht miteinander verwandt sind. Diese Beziehungen erscheinen Menschen unbegreiflich, die mit den
griechischen Göttern des Olymp vertraut sind. Die griechischen Götter bestehen aus einer Familie,
die der Familie der Titanen feindlich gegenübersteht, genau wie die Norse Aesir den Vanir. Martha
Beckwith erklärt in dem Buch Hawaiianische Mythologie: "Es erscheint mir daher wahrscheinlich, dass aus
unterschiedlichen Kulturen eingewanderte Familien Götter und Rituale mit sich brachten, mit denen sie
vertraut waren." Anders als bei dem System der Hindus, das zumindest versucht, die Götter und
Göttinnen vieler unterschiedlicher Menschen, Zeiten und Orte zu einem integrierten Ganzen zu vereinen,
haben sich die Hawaiianer nur selten die Mühe gemacht, dies zu tun. Sie gestatteten weit
auseinanderliegenden Traditionen einfach, Seite an Seite glücklich im Chaos zu leben. Und wenn in
einigen wenigen Fällen doch versucht wurde, ein wenig Integration zu schaffen, dann geschah das immer
nur in einem sehr begrenzten Umfang.
Es gibt eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft hawaiianischer Götter und Göttinnen. Je
größer ihr Mana, desto mehr konnten sie nach Belieben unterschiedliche Formen und Gestalten
annehmen. Die Mächtigsten unter ihnen konnten sich in Menschen, Tiere, Pflanzen, Mineralien oder auch
anderes verwandeln. Der Gott Kamapua'a zum Beispiel konnte sich in einen Menschen verwandeln, in ein
Schwein, einen Fisch, eine Art Gras, oder sogar in Regen. Im Hawaiianischen nannte man diese
Erscheinungsformen Kino Lau: Viele Körper.
In diesem Artikel liegt der Fokus auf hawaiianischen Göttinnen. Da es sehr viele gibt, werde ich mich
auf die sieben bedeutendsten konzentrieren. Und selbst bei dieser Beschränkung kann ich in diesem
Rahmen nur ein wenig Information über jede einzelne geben. Abgesehen von Angaben aus verschiedenen
schriftlichen Quellen wie Beckwiths Hawaiianischer Mythologie werde ich Informationen hinzufügen,
welche ich von Angehörigen der Kahili-Familie erfahren habe, die mich persönlich in ihren
Traditionen unterrichtet haben.
Hina scheint die älteste Göttin zu sein. Sie ist im gesamten Pazifikraum bekannt, als Hina, Sina
oder 'Ina. Sie repräsentiert im wesentlichen die weibliche Energie. Eine Abart ihres Namens, Hine, wird
als weibliche Wortendung benutzt, wie bei dem Wort Wahine (Frau). In vielen Geschichten wird sie eng mit dem
Mond, dem Ozean, weiblichen Aktivitäten wie der Herstellung von Tapa und auch mit dem Heilen in
Verbindung gebracht. Ihr werden außerordentlich viele verschiedene Aspekte und Attribute
zugeschrieben, die eine große Spanne menschlicher Aktivitäten abdecken. In den ältesten
Legenden ist sie verschiedentlich Ehefrau, Schwester, Mutter oder Großmutter von Maui. In Geschichten
jüngeren Datums wird sie auch als Frau von Kane oder Ku bezeichnet. Im Pantheon der Vulkangöttin
Pele taucht sie jedoch in keiner Geschichte auf. Das Wort hina bedeutet "herunterfallen", "grau", und "in
eine gerade Richtung blasen". Einige ihrer Erscheinungsformen sind der 'Elepaio, eine Vogelart, Koralle,
eine Bananenart und ein Behältnis aus Flaschenkürbis.
Haumea ist die große Muttergöttin. Manchmal wird sie mit Papa, der Schöpfergöttin,
gleichgesetzt, manchmal auch mit La'iLa'i, der ersten Frau. Ihre Kinder hat sie der Legende nach aus
verschiedenen Körperteilen geboren, so wie es einer Erdgöttin auch ansteht. Dass sie eine sehr
alte Göttin ist, kann man anhand der Tatsache ersehen, dass sie in einigen unterschiedlichen
hawaiianischen Mythen auftaucht, einschließlich des Mythos von Pele, in dem sie die Rolle der Mutter
der Vulkangöttin spielt. Sie wird meistens mit der Nahrungsmittelversorgung, Ehe, Geburt und
Wiedergeburt in Zusammenhang gebracht. In Chants wird sie oft folgendermaßen genannt: Haumea "von der
geheimnisvollen Erscheinung, von der achtfachen Form oder von den Vierhunderttausend Erscheinungsformen".
Einer ihrer bekanntesten Erscheinungsformen ist jedoch der Brotfruchtbaum. Das Wort haumea gibt es im
Hawaiianischen nicht, aber hau kann "Herrscher" bedeuten, und mea "rötlich" (wie rote Erde). Wegen
ihrer Position als Erdgöttin und weil die Hawaiianer Steine als Knochen der Erde ansehen, symbolisiert
Haumea für die Kahilis das Element Stein.
Pele ist heutzutage die bekannteste Göttin. Obwohl Wissenschaftler sie als eine rein lokales
Phänomen betrachten, besagen die Legenden, dass Pele von einem anderen Ort auf die hawaiianischen
Inseln gekommen ist. Manchmal heißt es, in menschlicher Gestalt aus Tahiti, manchmal heißt es
als eine Naturgewalt, welche die hawaiianische Kette vulkanischer Inseln erschaffen hat. In den am meisten
verbreiteten Geschichten heißt es jedoch, dass sie die Inseln bei ihrer Ankunft bereits vorgefunden
hat. Sie sei zuerst auf Ni'ihau, dann auf Kauai gelandet und sei weiter voran gereist, bis sie ihr
gegenwärtiges Zuhause im Kilauea Krater auf Big Island erreicht habe. Ihr Name bedeutet in der
hawaiianischen Sprache geschmolzene Lava. Pele ist kein Geist, der in der geschmolzenen Lava haust, sondern
der Geist der geschmolzenen Lava selbst. Sie ist jedoch kein erkaltetes Lavagestein, und die Legende, nach
der sie jeden verflucht, der Lavagestein von ihren Inseln mitnimmt, ist ein moderner Mythos und kein
Bestandteil der alten hawaiianischen Tradition. Ihre verschiedenen Erscheinungsformen werden durch sie
selber oder durch Aspekte ihrer geistigen "Familie" ausgedrückt: Sie kann als alte, reife oder junge
Frau erscheinen, als weißer Hund, Feuer, Lava, Wind, Wolken, Donner und Blitz. Sie wird auch mit der
'Ohelo Pflanze in Zusammenhang gebracht, die auf den Hängen der Vulkane wächst.
Hi'iaka ist die Schwester von Pele, die aus einem Ei geschlüpft ist. Oftmals wird sie deshalb auch
Hi'iaka i ka poli o Pele genannt, was wörtlich übersetzt "Hi'iaka in der Armbeuge von Pele"
heißt, und figurativ (von den Missionaren) mit "Hi'iaka im Herzen von Pele" übersetzt wurde.
Daraus erwuchs die Idee, dass Hi'iaka die Lieblingsschwester von Pele war und gleichzeitig die jüngste
von insgesamt acht Schwestern. Die frühesten Berichte deuten jedoch darauf hin, dass Hi'iaka Peles
einzige Schwester ist. Die anderen Hi'iaka-"Schwestern" sind eigentlich nur Aspekte der ursprünglichen
Hi'iaka. "Armbeuge" war übrigens nur ein Euphemismus für einen anderen Körperteil, also
könnte Hi'iaka tatsächlich die Tochter von Pele gewesen sein. Die Hi'iaka-"Schwestern" erschienen
allesamt in Wolkenform, aber ihre Namen weisen den übersetzungen von William Ellis zufolge eigentlich
eher auf das Besitzen oder Halten von Wolken hin, nicht auf die Wolken selbst. Da gibt es
Hi'iaka-wawahi-lani (Hüterin der dem Himmel entrissene Wolke), Hi'iaka-kapu-enaena (Hüterin der
roten heißen Bergwolke), Hi'iaka noho-lani (Hüterin der im Himmel wohnenden Wolke), und so
weiter. Das Wort hi'iaka hat in hawaiianischen Wörterbüchern keine eigenständige Bedeutung,
aber hi'i bedeutet "etwas tragen" und ka'a bedeutet "sich wie eine Wolke voranbewegen". Eine weitere Kino
lau von Hi'iaka ist der Pala'a oder Spitzenfarn. Weiterhin wird sie mit dem 'Ohia Lehua Baum assoziiert. Da
der Wind viele Wolken "besitzen oder halten" kann, und Hi'iaka viele Reisen unternommen hat,
repräsentiert sie für die Kahilis das Element Wind.
Laka ist hauptsächlich als Göttin des Hula und des Waldes bekannt. Auch heute noch wird in sehr
traditionellen Hula Halaus Laka zu Ehren ein Altar errichtet oder in einer genau festgelegten Abfolge
Pflanzen als Gaben dargereicht. Einigen Traditionen Hawai'is zufolge wurde der Hula-Tanz von einem Bruder
und einer Schwester auf die Inseln gebracht, die beide Laka hießen. Obwohl bei vielen
Hula-Vorführungen Gebete an Laka gerichtet werden, werden ihr nur selten bis gar nicht Hulas gewidmet.
Weil Laka in vielen Legenden mit Schwängerung und Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht wird, nennt
Beckwith sie "die Göttin der Liebe". Der Name laka bedeutet "sanft, fügsam, angezogen sein,
anziehend", und es gibt alte Chants, in denen Laka nicht nur um Liebe, sondern auch um Reichtum gebeten
wird. Auch wenn sich ihr Ursprung ganz woanders befindet, wurde sie nichtsdestotrotz in den Pele-Mythos
aufgenommen. Da sie mit dem Wald in Zusammenhang gebracht wird, repräsentiert sie das Element Pflanzen.
Kapo wird zwar sehr stark mit einigen Legenden Peles assoziiert, aber eine Legende von Moloka'i besagt, dass
sie zu einer auf Moloka'i lebenden Familie von Zauberern gehörte, die es schon lange vor dem Eintreffen
Peles auf den Inseln gab. Ihr voller Name ist Kapo-'ula-kina'u, was entweder "die heilige Nacht mit dunkel
gestreift" oder "rote Aalfrau" heißt. Kapo ist am berühmtesten dafür, dass sie fähig
war, ihre Vagina vom Körper abzutrennen. In einer Legende benutzte sie diese Fähigkeit, um Pele
vor einer Vergewaltigung zu schützen, indem sie ihre Vagina über das Meer schickte, damit
Kamapua'a hinter dieser her jagte. Sie wird auch mit der Fortpflanzung in Verbindung gebracht,
Kräutermedizin, und mit dem, was heute Channeling genannt wird. Es wird von ihr gesagt, dass sie nach
Belieben viele Erscheinungsformen annehmen kann, aber meistens wird sie mit Aalen, Vögeln und dem
Halapepe Baum assoziiert. Da sie mehr mit Tieren in Zusammenhang gebracht wird als andere Göttinnen,
repräsentiert sie das Element Tiere.
Uli ist vor allen Dingen als Göttin der Magie und der Zauberei bekannt. Gleichzeitig wird sie mit
Heilwissen in Verbindung gebracht. Manchmal wird sie als Ehefrau oder Schwester des Unterweltgottes Manua
bezeichnet, oder auch des Gottes der Oberwelt Wakea, manchmal auch des eher intellektuellen Gottes Lono. Zu
ihr betete Hi'iaka, um ihren Geliebten Lohiau, einen Häuptling von Kauai, wieder ins Leben
zurückzurufen. Ihr Name uli bedeutet "jede dunkle Farbe", "steuern" und "Omen". Auch wenn der 'Ulili
oder Wasserläufer ihre häufigste Kino lau ist, nimmt sie auch die Form des Tropikvogels und des
Regenpfeifers an.
Die Kahili-Familie verehrte keine der Göttinnen, aber sie rief sie als Freundinnen an, um bestimmte
Qualitäten, Aspekte oder Heilkräfte hervorzubringen. Da ich an die griechische und römische
Mythologie gewöhnt war, wo Götter und Göttinnen ihre eigenen speziellen Aufgaben und
Einflussbereiche hatten, löste der Ansatz der Kahilis, die Kräfte der Göttinnen intuitiv,
anstatt intellektuell zu nutzen, am Anfang viel Verwirrung bei mir aus. So konnte Pele, vom Element Feuer,
angerufen werden, um die Durchblutung anzuregen, wegen ihrer Hitze, Energie und dem Fließen von Lava,
aber sie konnte auch angerufen werden, um eine Situation oder Lage radikal zu verändern und zu
transformieren, auf die gleiche Art und Weise, wie ein ausbrechender Vulkan die Landschaft und das Leben der
Menschen um ihn herum verändern kann. Hi'iaka als Wind konnte angerufen werden, um "die Luft zu
reinigen", etwas zu finden (da der Wind eine Richtung hat), etwas ins Leben zu bringen (da der Wind Wolken
und Regen bringt) oder etwas zu verändern (da der Wind die Richtung ändert). Jede der
Göttinnen hat somit eine Vielzahl von Kräften und Fähigkeiten, und sie können auf jede
erdenkliche Art helfen, so wie Sie es in einer spezifischen Situation für richtig halten, da es immer
einen Weg gibt, jede von ihnen für den gleichen Zweck zu nutzen.
Eine weitere verwirrende Angelegenheit war die Zuordnung von Farben. Es gibt sieben Farben im Regenbogen
(einschließlich der Farbe weiß, in der alle enthalten sind). Und es ist sehr verlockend, jede
einzelne Göttin mit einer bestimmten Farbe in Zusammenhang zu bringen. Mir wurde gesagt, dass ich das
natürlich tun könne, wenn es sinnvoll sei, aber mir wurde ebenfalls gesagt, nicht zu vergessen,
dass alle Elemente alle Farben hervorbringen können.
Auf ähnliche Weise hatte ich das starke Bedürfnis, jedem der Sieben Huna-Prinzipien eine bestimmte
Göttin zuzuordnen. Wieder wurde mir gesagt, dass ich das tun könne, wenn ich wolle, aber ich
sollte nicht vergessen, dass die Kräfte jeder einzelnen Göttin im Sinne jedes Prinzips
interpretiert werden können.
Zu unterschiedlichen Zeitpunkten habe ich daher auf verschiedene Art und Weise über die Göttinnen
gesprochen, und das hat seitens der Schüler zu einiger Verwirrung geführt. Also, für
Anfänger, die das Konzept hawaiianischer Göttinnen zu Heilzwecken verstehen und anwenden wollen,
hier das Ola 'Ana Papakahi o Na Akua Wahine Hawai'i: "Die Organisation hawaiianischer Göttinnen auf
erster Ebene". Darin werden der Reihenfolge nach Name, Prinzip, Farbe, Element und Hauptfunktion
angeführt.
- Hina: 'Ike, Weiß, Wasser, Bewusstsein (Wissen)
- Haumea: Kala, Rot, Stein, Freiheit (Erlösung)
- Pele: Makia, Orange, Feuer, Fokus (Energie)
- Hi'iaka: Manawa, Gelb, Wind, Präsenz, (Zweck)
- Laka: Aloha, Grün, Pflanzen, Liebe (Mitgefühl)
- Kapo: Mana, Blau, Tiere, Stärke (Fähigkeit)
- Uli: Pono, Purpur, Menschen, Erfolg (Effektivität)
Wenn sich das von dem unterscheidet, was Sie bereits gelernt haben, möchte ich mich bei Ihnen
entschuldigen. Wenn es Ihnen hilft, macht mich das glücklich.
Copyright Huna International 2005
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